Blender

Schon seit Wochen gibt es etwas, das mich aufregt oder besser gesagt triggert: der Blender. Als ich dann gestern einen Artikel las, der einige meiner Gedanken auf den Punkt brachte, wusste ich, dass es soweit war, darüber zu schreiben.

Ich erwähnte schon mal einige Artikel zuvor, dass ich gerade eine Weiterbildung mache. Und das nun schon seit Mitte September. In dieser Zeit hatte ich verschiedene Vorlesungen bzw. Module – somit auch verschiedene Teilnehmer und Dozenten. Bevor ich erzähle, was mich diesbezüglich bewegt, vorab ein kurzer Abriss zum Ablauf, damit ihr euch ein Bild machen könnt: Morgens um 8 Uhr schalte ich meinen Rechner ein, während es draußen noch dämmert. Per Skype buche ich mich in meinen Klassenraum ein und warte auf das Erklingen der Stimme der/des Dozenten/in. Los geht’s mit der Wissensvermittlung. Wir arbeiten eine Präsentation nach der anderen ab, zwischendrin gibt es Pausen. So geht das bis 13 Uhr. Die Dozentin des aktuellen Moduls steht auf Gruppenarbeiten, und das täglich. Man zieht sich also zu viert bis siebt in einen separaten Chat zurück und löst gemeinsame eine Aufgabe. Danach präsentiert jede Gruppe ihre Ergebnisse. Bisher hatte ich fünf verschiedene DozentInnen und auch Teilnehmergruppen, die zwischen 10 und 24 Personen umfassten. Da wir alle während des Unterrichts Fragen stellen oder Anmerkungen machen können, formt man sich auch unweigerlich ein Bild über die Kommilitonen. Und natürlich gibt es in jeder Gruppe Personen, die man mehr oder weniger mag. Das hängt von der Stimme, dem Tonfall, der Aggressivität und vielen anderen Aspekten ab.

Ich behaupte von mir selbst, dass ich mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen gut auskomme und jedem seine Individualität zugestehe. Genau darüber habe ich nun intensiv nachgedacht und muss gestehen, dass es so nicht ganz richtig ist. Denn es gibt Typen, die bei mir einen Trigger auslösen und mich schier wahnsinnig machen. Ich nenne sie BLENDER. Also die, die sich mit großem Wissen hervortun, welches sie – und das merkt man eben erst später – gar nicht haben. Erst einmal denkt man „Donnerwetter, die/der drückt sich ja toll aus, welch ein intelligenter, witziger und gebildeter Mensch“. Bei genauerem Hinsehen bzw. Hinhören stellt man allerdings fest, dass sie bestenfalls über ein gesundes Halbwissen verfügen, dieses aber als schiere Genialität tarnen. Es stört sie nicht, die Leistung Anderer als ihre eigene zu verkaufen. Sie sprechen oft laut und prägnant, damit ihre „Leistungen“ beachtet werden. Das schlimmste ist, dass der Blender oft Karriere macht und ihm Führungsverantwortung übertragen wird.

Davon haben wir ein Prachtexemplar im aktuellen Weiterbildungs-Modul. Sobald ich sehe, dass sich sein Mikro öffnet (ist in der Teilnehmerliste sichtbar), spannt sich mein Körper an und ich verdrehe die Augen. Seine Stimme ist schon mal viel lauter als die der anderen, was allerdings an seiner Mikroeinstellung liegen kann. Ich gehe davon aus, dass das, was er sagt, mich einfach nur nerven wird. Ich muss zugeben (das immerhin ist mir möglich), dass er sich sehr gut artikulieren kann und auch über Wissen verfügt. Doch egal, was er beiträgt, bei mir kommt immer nur rüber „Ich bin ja so ein geiler Typ und erkläre euch allen jetzt mal, wie’s im wahren Leben läuft“. Meist meldet man sich zu Wort, wenn man etwas nicht verstanden hat oder aus der Praxis ein Beispiel beitragen möchte. Aber er kann nicht einfach eine Frage stellen ohne dabei klar zu machen, dass er sehr viel zu diesem Thema weiß. Somit steht am Ende seiner Beiträge auch nie ein Fragezeichen, sondern ein Punkt oder Ausrufezeichen. Des Weiteren erklärt er der Dozentin auch gern mal, wie andere Kommilitonen ihre Frage gemeint haben oder korrigiert ihre Antworten gar – unaufgefordert natürlich. Dann sitze ich schreiend vor meinem Rechner. Er macht sich quasi zum Klassensprecher und gibt uns Verhaltensregeln vor. Ich glaube auch, dass einige Teilnehmer sich von ihm eingeschüchtert fühlen. Auf der anderen Seite schmeichelt er der Dozentin ganz offenkundig. Widerlich. Er ist der Anführer einer der Gruppen und hat mich dort reingewählt (das war am ersten Tag des Moduls, als ich ihn noch nicht einschätzen konnte). In dieser Gruppe habe ich absolut nichts gelernt und konnte auch kaum etwas zum Ergebnis beitragen. Es war von Anfang an klar, dass er die Gruppe leitet, indem er bei jeder Arbeit den Dialog eröffnet und auch immer das letzte Wort hatte. Er hat fast ausschließlich die schriftlichen Präsentationen erstellt und nicht gefragt, ob alle damit einverstanden sind. Er war wohl auch der Meinung, dass er das am besten kann. Dabei sahen seine Powerpoint-Folien grauenhaft aus (das war nicht subjektiv). Und es wurde viel gelästert. Interessanterweise nur die Jungs in unserer Gruppe. Da musste ich einfach mal gegenhalten. Ich habe generell nichts gegen lästern, das kann mal ganz entspannend sein. Aber auch hier geht es um das WIE, denn es kann lustig, aber auch böse sein.

Ich könnte jetzt noch ganz viel zu seinem Verhalten schreiben, aber darum geht es gar nicht. Die Frage ist, warum triggert mich sein Verhalten so extrem an, dass mich seine Anwesenheit schon aggressiv macht. Warum reagiere ich so extrem auf Blender? Dabei fällt mir ein früherer Kollege ein, der ähnlich veranlagt war. Er hat sogar regelmäßig verlauten lassen, dass er einen richtig guten Job macht und viele ihm in bestimmten Dingen nicht das Wasser reichen können. Das war schon so unverfroren, dass ich es nicht fassen konnte. Dabei hat er sich komplett selbst überschätzt. Aber es geht in der heutigen Arbeitswelt mehr um Performance als um echtes Durchdenken. Wer sich gut verkaufen kann und laut ist kommt meist ziemlich weit.

Das kennen wir wohl alle: Es gibt zwei Menschen, die dasselbe sagen können. Bei dem Einen findet man das okay oder kann darüber sogar lachen, bei dem Anderen findet man es unmöglich. Beispiel: Kollege 1 kommt ins Büro und erzählt, wie er einen lauthals pöbelnden Kunden am Telefon gerade mit Argumenten besänftigt hat und erklärt freudestrahlend, dass er das richtig gut gemacht hat. Ich lache und sage „Gaaaaaanz toll hast du das gemacht. Soll ich dir noch auf die Schulter klopfen?“ Kollege 2 spaziert herein und hat eine ähnliche Situation seines Erachtens nach bravourös gemeistert. Mir stellen sich die Nackenhaare auf und ich bin genervt. Warum nur? Die beiden Ausführungen waren fast gleich. Aber es sind zwei verschiedene Menschen. Der Eine weiß um seine Schwäche, weiß, dass er diese Bestätigung braucht und kann vermutlich auch darüber schmunzeln, der Andere ist nicht reflektiert und hält sich tatsächlich für großartig. Ich denke, das macht den Unterschied. Es gibt auch Machos über deren Gehabe ich lachen kann, weil ich es „irgendwie süß“ finde, es gibt Menschen, deren Arroganz ich interessant finde, Leute, deren schlechtes Benehmen mir Respekt einflößen, aber Blender gehen einfach gar nicht.

Ich nehme mir immer wieder vor, solchen Menschen gelassen begegnen zu können. Morgen um 8 Uhr fange ich wieder damit an.

Maike: Was oder wer triggert dich dermaßen an? Meinst du, ich bin vielleicht selbst ein Blender und ertrage diese Spiegelung nicht?

Maike

Nur anhand deiner Beschreibung würde ich einen Narzissten vermuten. Ich finde auch, dass die Bezeichnung besser passt als “Blender”. Auch wenn das “Verblenden” und Ablenken von eigenen Schwächen durchaus einem Narzissten als Taktik zugeschrieben werden kann. Ich finde, dass sich dein Kommilitone wie ein armes Würstchen anhört. Jemand, der zu wenig Selbstbewusstsein extrem überspielt und nach Aufmerksamkeit und Anerkennung lechzt. Brrrr, da läuft mir ein Schauer über den Rücken. Solche Leute finde ich auch unangenehm. Aber Arschlöcher gibt’s überall. Es ist nicht unüblich, dass extrem laute Charaktere von ihrem Umfeld gemieden, bewundert oder geduldet werden. Und wenn alles gleichzeitig der Fall ist, ist die Bühne für den Narzissten doch groß genug. Er nimmt nur die positive Bestärkung wahr und blendet (vielleicht passt die Bezeichnung “Blender” auch hier besser?) alles was ihn runter ziehen könnte aus. Kritik an seiner Arbeit oder, Gott bewahre, an seiner Person stehen nicht zur Debatte. Ich glaube für mich sind uneinsichtige Menschen die schlimmste Art. Nicht, dass ich immer Recht haben will. Aber Leute, die ihre eigenen Fehler einfach ausblenden und weggucken, während andere Leute vielleicht die Konsequenzen tragen müssen, das triggert mich. 

Also Claudia, nein, ich kann dich nicht als “Blenderin” identifizieren. Ich denke eher, dass du eine große Menschenkenntnis hast und die Leute gut durchschauen kannst. Dann sollte dir allerdings auch bewusst sein, dass der Typ sich nur so bescheuert verhält, weil er was zu kompensieren hat! 😉

By | 2019-12-10T18:43:29+00:00 01. Dezember 2019|Diese Woche|0 Comments

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