Das Fest der Hiebe

Willkommen zum heißesten Krisenherd des Jahres: WEINHACHTEN

Endlich ist es wieder Zeit für zu hohe Erwartungen, zu kleine Geschenke und zu viel Schnaps bei zu langen Diskussionen. In den letzten 364 Tagen hat sich mit Sicherheit viel angestaut. Das alles darf bald rausgelassen werden. Beim Fest der Liebe wird wieder traditionell verbal um sich geschlagen. Die ganze Sippe kommt zusammen und jeder bringt ein bisschen Anspannung mit, damit es auch ja nicht langweilig wird. Aber warum zoffen sich alle an Weihnachten? Darüber habe ich mir in der letzten Woche Gedanken gemacht und festgestellt, dass das Fest von vorne bis hinten unter einem Motto läuft: Erwartungsdruck.

Die Weihnachtszeit ist wie eine tickende Zeitbombe. Sobald im September der erste Spekulatius im Aldi-Regal steht, sind alle Sensoren auf „Weihnachten“ gepolt. Wo feiern wir dieses Jahr? Weihnachtsgeschenke? Weihnachtsessen? Wer war nochmal vegan?! Wenn im Radio dann das erste Mal und danach im Kopf auf Dauerschleife „Last Christmas“ läuft, ist bei vielen der Puls bis zum neuen Jahr auf 180. Aber es ist auch kein Wunder, wenn an jeder Ecke eine neue Aufgabe wartet. Geschenke für Patenkinder, Oma und Opa und eine Aufmerksamkeit für die 80-jährige Nachbarin müssen vorbereitet werden. Jeder soll wissen, wie gut man die andere Person kennt und wie viel sie einem wert ist. Das Materialismus vs. wahre Liebe-Gequatsche lasse ich an dieser Stelle mal weg. Auf jeden Fall legt der Anspruch, jedem seine Wertschätzung angemessen zum Ausdruck zu bringen, den Grundstein für ein angespanntes Weihnachten. Und dann kommt das Essen. Es soll lecker schmecken, vegan, vegetarisch und mit Fleisch sein, gut aussehen und festlich sein. Die Deko muss auch gemacht werden. Ein Baum muss her, größer als bei der angeberischen Tante. Und wehe das wird alles hinterher nicht wertgeschätzt.

So zumindest die Theorie in meinem Kopf. Ich musste glücklicherweise noch nie ein Weihnachtsfest ausrichten, sondern darf mich immer an den gedeckten Tisch setzen. Ich spiele in der alljährlichen Dramödie „die verlorene Tochter aus Berlin“.  Dementsprechend plagen mich in der Weihnachtszeit ganz andere Stressfaktoren; alle können froh sein, wenn ich überhaupt Geschenke mitbringe. Junge Erwachsene und alle, die in einem Entwicklungsprozess stecken, können sich Weihnachten auf ein Verhör gefasst machen. Geführt von „den Älteren“ oder einfach „den Kritikern“. Egal ob Beziehungsstatus, Studium oder Kindererziehung: Man bekommt bei der Zusammenkunft Erwartungen als Ratschläge getarnt um die Ohren gehauen. Das macht natürlich dicke Luft. Und ganz nebenbei gibt’s hier noch ein Eierlikörchen und da noch einen Amaretto, damit die Zungen locker und das Gespräch bissig bleibt. Alkohol ist wohl auch der Grund, warum Streits um die Feiertage herum so leidenschaftlich sein können. Angetrunken lässt man sich Sticheleien weniger gern gefallen. Da wird auch schon Mal zurück gefaucht. Mit vollem Glas versteht sich. Denn an Alkohol mangelt es in den allermeisten Haushalten wohl nicht an Weihnachten. Also eine weitere Theorie von mir: Je mehr Sprit ins Feuer gekippt wird, desto höher lodert es.

Der Erwartungsdruck lauert also offensichtlich in allen Ecken. Der Schlüssel zur Lösung ist demnach CHILLEN. Einfach mal entspannt an die ganze Sache rangehen. Ein guter Freund hat mir übrigens einen ziemlich guten Alternativplan präsentiert, um dem ganzen Drama zu entgehen: Er fährt einfach Silvester anstatt Weihnachten zu seiner Familie. Gutes Essen, viel Alkohol, geiles Fernsehprogramm, Neujahr, Neuanfang – das klingt doch harmonisch.

Und als nächstes freue ich mich auf Claudias Weihnachtsgeschichten. Wie waren deine Feiertage? Hast du viele Geschenke bekommen? Hat jemand extrem viel geflucht? Oder gesoffen? Konntest du ein Gedicht vorm Weihnachtsmann aufsagen?

By | 2019-12-23T11:40:12+00:00 23. Dezember 2019|Diese Woche|0 Comments

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