Astrologie: Hokuspokus oder echte Wissenschaft?

Es gibt Menschen, die sich Namen gut merken können, andere sind bei Zahlen oder Gesichtern besser. Ich hingegen kann mir am besten Sternzeichen merken. Ich habe ein wenig überlegt, ob ich es wagen soll, das zu schreiben, da es auf den Ein oder Anderen doch ein wenig oberflächlich wirken mag. Aber was soll’s, dachte ich mir, schließlich kann ich mir Zahlen und Namen auch gut merken. Aber Sternzeichen eben besonders gut.

Angefangen hat mein Interesse für dieses Thema – und ich sage bewusst nicht Wissenschaft – im Teenageralter. Meine damalige Busenfreundin (ich glaube dieser Begriff gehört zu den vom Aussterben bedrohten Wörtern; warum eigentlich?) und ihre Mutter waren absolut überzeugt von der Astrologie und meinten, dass meine Konstellation (Anmerkung: bei einer astrologischen Konstellation berücksichtigt man mehr als das Sternzeichen, welches ja das Tierkreiszeichen ist, in dem die Sonne zur Geburt stand) meinen Charakter absolut widerspiegeln würde. Ich hielt das für Hokuspokus, aber da ich damals bereits auf dem besten Weg zu einem vielfältig interessierten und sehr aufgeschlossenen Menschen war, dachte ich mir „Schadet ja nichts, wenn ich mir das mal näher ansehe“. Und so wälzte ich diverse Bücher (googeln ging leider noch nicht), um herauszufinden, was den Zwillinge (also mich) auszeichnet.  Mmmmh, das war recht stimmig – zu deutlich mehr als 50 %.

Das hinterhältige Lager

Um mich entscheiden zu können, ob es sich bei der Astrologie um totalen Quatsch bzw. eine ernstzunehmende Wissenschaft oder auch irgendetwas dazwischen handelt, befragte ich die nächsten Monate, Jahre, Jahrzehnte (und ihr ahnt es schon: bis heute) Zigtausende von Menschen nach ihrem Sternzeichen. Bei den Antworten lassen sich die Menschen – unabhängig vom Geschlecht –  in drei Lager teilen: die einen beantworten die Frage einfach, Lager 2 fordert hinterhältig „Rate doch mal“ und das restliche Drittel treibt der Argwohn um „Wieso? Glaubst du etwa daran?“. Da hilft auch kein „Nicht wirklich, aber irgendetwas könnte doch daran sein“ meinerseits. Mir scheint es mitunter intimer zu sein als sich nach der Gesundheit oder dem Gehalt des Gegenübers zu erkundigen. Ich habe mit dieser schlichten Frage, gerichtet an eine einzelne Person, schon ungewollt ganze Partys unterhalten. Erregte Gemüter überall. Ist doch komisch, zumal keiner „daran glaubt“. Warum wird diesem Thema dann doch so viel Raum gegeben?

Nochmal zurück in die 90er: Mein Interesse für die Astrologie gipfelte mit Mitte 20 darin, dass ich mir – auf Anraten einer Freundin – eine astrologische Persönlichkeitsanalyse bei einem renommierten Institut bestellte, für ca. 30 DM. Ich hatte keine großen Erwartungen daran; eigentlich fand ich es eher spaßig. Und nach ca. vier Wochen kam die 17-seitige Analyse, die auf jeder Seite einen anderen Aspekt meines Horoskops beleuchtete (Häuser, Mondknoten, Aszendent, Deszendet usw.). Das war nicht sonderlich interessant. Was mich fesselte, war die Zusammenfassung all meiner Horoskop-Aspekte, also eine sehr persönliche Betrachtung meiner Person, wofür eine DIN A4 Seite zu genügen schien. Ich war ziemlich perplex, denn was dort stand, war schon sehr individuell und stimmte zu 90 %. Nachdenklich machte mich auch, dass die Geschichte durchaus mit einigen berühmten und anerkannten Astrologen aufwarten kann, die häufig Gelehrte auf verschiedenen Gebieten waren, z. B. Claudius Ptolemäus, † 160 n. Chr. – er war noch Philosoph, Mathematiker, Geograph, Astronom und Musiktheoretiker! Und der allseits bekannte Nostradamus beschäftigte sich vor 500 Jahren neben der Astrologie noch mit Medizin und Pharmazie. All dies half mir nicht wirklich bei meiner Entscheidung Quatsch vs. Glaube. Und so befrag(t)e ich weiterhin Freunde, Bekannte, Kollegen, Nachbarn (auch die an Tisch + Tresen).

Interessierte können gern meine Radixzeichnung (das ist der Kreis mit den vielen Zeichen und Strichen auf dem Bild unten) studieren, interpretieren, ignorieren …. Ein Radix ist quasi ein Geburtshoroskop, das aufgrund der individuellen Daten (wann wurde die Person wo zu welcher Stunde geboren) erstellt wird.

Treffer versenkt

Oft mache ich mir folgenden Spaß: Wer mir auf meine Frage nach seinem Sternzeichen mit einem süffisanten „Herrje, das nimmst du doch nicht ernst, oder?“ antwortet, dem führe ich die allerbesten Eigenschaften seines Sternzeichen an. Und schwups: sofort erhalte ich eine Bestätigung, dass all diese zu 100 % passt. „Und was macht mein Sternzeichen denn noch aus?“ werde ich gefragt und gern wird auch Auskunft darüber verlangt, mit welchem Sternzeichen man sich paaren solle, damit eine optimale Verbindung zustande kommt. „Hoppla“ denke ich dann, „welch ein Wendung: Erst werde ich belächelt und kurz darauf zur Astrologie-Expertin ernannt“. Immer wieder herrlich.

Vor einigen Wochen war ich auf einer Feier und bemühte das Thema mal wieder. Vertreter von Lager 2 riefen „Rate doch mal! Was denkst du?“ Den ersten musterte ich kurz und fasste dann zusammen „Bei deinem Auftreten, selbstbewusst, unerschrocken, mit breiten Schultern … ich würde sagen, du bist Löwe“. Ruhe, Stille. „Aha“, dachte ich, „Treffer“. Und dann der zweite herausfordernd „So, jetzt rate mal bei mir“. Da auch er vor Selbstbewusstsein strotzte, sich gern reden hörte und fast im Stechschritt durch den Raum marschierte, sagte ich mit fester Stimme „Du bist Widder“. Beeindruckt von meiner Treffsicherheit fragte sich die Gruppe, die um uns herumstand, ob ich möglicherweise ein Hexe bzw. Außerirdische bin. Dass das nur Zufall war, habe ich natürlich nicht gesagt. Mmmmh, vielleicht war es das ja auch gar nicht????

Die Erwähnung einiger Sternzeichen löst besondere – und vor allem vorhersehbare – Reaktionen aus; auch bei Menschen, die der Astrologie jegliche Bedeutung absprechen. Bei Nennung „Skorpion“ ist es oft „Uiiiih, mit denen ist nicht gut Kirschen essen, sehr gefährlich“, beim Zwillinge „Die haben zwei Gesichter – man weiß nie woran man bei ihnen ist“ usw. Woher wissen diese Ungläubigen das bloß?

Und was mich auch verwundert: Ob gläubig oder ungläubig – das Horoskop in der Tageszeitung wird von sehr vielen Menschen regelmäßig gelesen. Mein ehemaliger Kollege las mir meines sogar jeden Tag im Büro vor, teils mit anschließenden eigenen Interpretationen und Handlungsempfehlungen.

Der Horoskop-Vergleich

Da liegt es doch nahe, dass ich die Horoskope von verschiedenen Medien mal miteinander vergleiche und prüfe, welches (mir) am besten passt. Welches Medium sieht den Start unseres Koryfeen-Blogs (7. April) und/oder meinen üblen Hexenschuss (9. April) kommen?

Ich kaufe also ein paar Frauenzeitschriften und bemühe einige Online-Portale. Dabei achte ich darauf, dass der Zeitraum für die Voraussage den 7. und 9. April einschließt.

Die Bunte spricht von Fake-News (pah, so etwas wird es bei den Koryfeen niemals geben) und lobt meine Gesundheit. Die Elle weiß immerhin, dass ich jetzt ein gutes Netzwerk brauche und bescheinigt mir Ausdauer. Die längste Beschreibung – bei gleichzeitig geringstem Inhalt und schönstem Layout – gibts bei der freundin. Die Für Sie meint, alles vor dem 15. April ist für mich irrelevant. Ich solle allein und nicht im Team trainieren, rät mir die Gala. Die Grazia empfiehlt mir, Dita von Teese Schlüpper zu verkaufen (wirklich!)  und spricht, genau wie die Instyle, von einer möglichen Gehaltserhöhung – schade, dass ich Freelancerin bin. Schauen wir mal, ob die Online-Horoskope realitätsnaher sind. Aha, Astrolantis gibt mir den Rat, mich sportlich nicht zu überanstrengen, schreibt aber kurz danach, dass ich körperlich topfit bin. Die Astrowoche beschert mir ein Hoch wegen eines sogenannten Sextils. Bild online und der Noe Astroservice sind sich einig, dass ich mich diese Woche zu jemandem hingezogen fühle, der möglicherweise unpassend ist. Es herrscht so große Einigkeit zwischen den beiden, dass sie kurzerhand denselben Text abdrucken.

Die Bild der Frau, deren Ratschläge ich schon wieder vergessen habe, macht sich immerhin die Mühe, eine Expertin mit den Horoskopen zu beauftragen: Mauretania Gregor! Bei der Für Sie heißt die Kollegin Kirsten Hanser. Das ist zwar namentlich weniger glamourös, dafür ist sie aber neben Astro- auch TV-Expertin.

Am Ende meiner Recherche finde ich noch ein Sonderheft in Bild der Frau mit meinem großen Sommer-Glücks-Horoskop. Und schau einer an: Für die Zwillinge hängt im Sommer der Himmel voller Geigen. Klar, dass mich diese Überschrift magisch anzieht und ich den wunderbaren Text von A–Z lese. Sofort bekomme ich gute Laune. Blockaden weg, heiße Flirts (selbst Hochzeit ist drin), harmonische Finanzen und im Job bin ich „Everybody’s Darling“. Glück und Erfolg auf ganzer Linie sagt dieser Text. Wer da nicht an Horoskope glaubt, hat selbst Schuld.

Übrigens: Die Barbara, die laut Eigenaussage „kein normales Frauenmagazin“ ist, hat selbstverständlich nicht so etwas Banales wie ein Horoskop im Angebot. Schade, jetzt wollte ich das Magazin doch endlich mal lesen.

Für mich habe ich nun entschieden: Irgendetwas ist dran an dieser Astrologie, aber man sollte es nicht allzu ernst nehmen. Also einfach weiterhin nach dem Sternzeichen fragen.

By | 2018-04-16T21:08:12+00:00 16. April 2018|Koryfeen-Geflüster|1 Comment

One Comment

  1. Sonja 18. April 2018 at 12:36 - Reply

    hihi, sehr lustig!!! GLG Sonja

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