Ausbildung zum Influencer

Claudia

Als ich den Begriff Influencer vor ein paar Jahren das erste Mal hörte, dachte ich – wie viele andere auch – zunächst an die Grippe. Immerhin ist es ja auch nur eine Frage, welche Silbe man betont – so wie z. B. bei „modern“.

Nachdem ich zu diesem „Nicht-mehr-Phänomen“ den tausendsten Beitrag serviert bekam, fragte ich mich: Warum folgen so viele Menschen Influencern, die ihre Beiträge doch nur aufgrund der Kohle aus der Industrie schreiben? Sie bekommen souffliert, was in den Köpfen der Audience landen soll. Da könnten die Heavy User doch gleich die Pressemitteilungen der Unternehmen lesen? Und diese Follower, ohne eigene Meinung, ohne die Fähigkeiten, Dinge kritisch zu hinterfragen, dürfen studieren und führen bald große Enterprises? Von wem werden sie sich dann beeinflussen lassen? Vielleicht von denen, mit den längsten, dicksten, größten … Statussymbolen? Züchten wir wieder “Nieten in Nadelstreifen” heran? Ach nein, Pinstripes gibt es dann vermutlich gerade nicht, es sei denn, ein wichtiger Influencer gibt das als neuesten Trend aus. Vielleicht muss es dann heißen “Nieten in Culotte-Hosen”?

Und schon habe ich wieder eine Geschäftsidee: Ich kreiere eine Ausbildung zum Influencer. Bewerben können sich junge, hippe Menschen, die mehr als digital Nerds sind und >100.000 Follower über alle SM-Kanäle hinweg vorweisen können, als Dozenten suche ich mir bekannte Influencer und die Abschlussprüfung findet vor einem Ausschuss statt, der aus den Marketingchefs der Top 10 Unternehmen aus der FMCG-, Mode- und Elektronik-Branche besteht. Wer die Kosten für die Ausbildung und die Dozenten übernimmt, muss ich mir noch überlegen – Google, Facebook … mal schauen.

Nachdem ich mir diesen Beitrag, der einfach so aus meiner Feder floss, noch einmal durchgelesen habe, frage ich mich: Ist meine Sichtweise zu negativ? Würden wir unseren Blog auch für diese Art der Werbung hergeben, wenn wir nur genug Geld geboten bekämen? Oder bin ich einfach zu alt, um dieses neue „Berufsbild“ nachvollziehen zu können? Maike, sag mir doch bitte mal, wie du das siehst.

Maike

Liebe Claudia, ich bin ganz bei dir. Der influenzöse Markt wirft auch bei mir immer wieder Fragezeichen auf.

Aber ganz offensichtlich gibt es einen großen Bedarf, denn ansonsten würden die Instagram-Sternchen und rechtschreibabgeneigten Blogger nicht Tausende von Followern anziehen. Allerdings liegt der Markt meiner Meinung nach größtenteils in der jüngeren Generation. Meine 16-jährige Schwester beispielsweise kann mir ganz genau erklären, wer oder was Dagi Bee, Shirin David und Co. sind. Und diesen naiven (nicht selbstreflektierten) Märchenwelt-Darstellern wird auch fleißig gefolgt.

Tatsächlich habe ich auch schon den einen oder anderen Influencer kennengelernt. An diesen Tagen werde ich meist mit dem Kopfschütteln nicht fertig – denn bei dem niedrigen IQ, der bei den teilweise völlig verklärten Lügenbaronen mitschwingt, bin ich immer wieder am Zweifeln, dass die Medienwelt tatsächlich in eine Richtung verläuft, die unserem Nachwuchs gut tut. Viele Kids checken einfach nicht, dass diese Louis Vuitton-Tasche zwei Wochen Hungern bedeutet hat (was ja gut für die Strandfigur ist) oder, dass das 14qm2 WG-Zimmer dreimal umgestellt werden musste, um auf Fotos den Eindruck einer riesigen Traumwohnung erwecken zu können. Vorteilhafte und krass bearbeitete Fotos sind quasi nur die Kirsche auf dem Eisbecher, der das ausgedachte Wunschleben derer darstellen soll, die unsere Jugend versauen.

Deine Geschäftsidee finde ich super. Für die Finanzierung finden wir schon ein paar Deppen. Beispielsweise die lustigen Eigenmarken, die dann quasi ihre eigenen Marketingkanäle heranzüchten.

Eins muss man den Influencern allerdings lassen: Sie wissen, wie man naiven, unerfahrenen Teenies etwas verkauft. Immerhin muss man sich das gewiefte Auge für Fake, so wie wir es natürlich besitzen, hart erarbeiten.

By | 2018-06-11T19:41:11+00:00 10. Juni 2018|Koryfeen-Geflüster|2 Comments

2 Comments

  1. Marion 20. Juni 2018 at 11:21 - Reply

    Hey Mädels,

    wie wäre es mit einem Beitrag über das Phänomen, dass insbeondere jüngere Kollegen in Meetins und Besprechungen permanent auf ihrem Laptop (o.ä.) rumklopfen. Nein sie schreiben kein Protokoll, sind aber möglicherweise stärker Multitasking-fähig als Ältere? Und wie kommt es zu dieser rasanten Evolution?
    Weiter so und alles Liebe
    M

    • Claudia 20. Juni 2018 at 21:33 - Reply

      Liebe M.,
      vielen Dank für den interessanten Kommentar. Das Phänomen kenne ich auch und empfinde dieses “Meeting-Gedaddel” als extrem unhöflich ggü. der präsentierenden/sprechenden Person. Nach dem Motto “Was du da erzählst, interessiert doch keinen Menschen. Ich sitze hier nur, weil ich muss, eigentlich habe ich Besseres zu tun”. Momentan finde ich noch keinen Dreh, nehme das Thema aber in unsere Liste auf. Herzlichen Dank

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