Eine Überdosis Duft

Claudia

Was mich diese Woche wieder besonders beschäftigt hat – wie auch an vielen anderen Tagen – ist die Überdosis extremen Dufts, die einige Mitmenschen einnehmen.

„Ich kann dich gut riechen“ versus „das stinkt zum Himmel“ – diese beiden Redewendungen beschreiben meine Gefühle ziemlich gut. Mich als Geruchs-Fetischist zu beschreiben wäre vielleicht ein wenig übertrieben, aber nur ein wenig. Dabei muss ich jedoch differenzieren: Führt jemand eine Überdosis an frischem Duft mit sich, stört mich das nicht. Wenn’s jedoch Richtung pudrig/orientalisch geht und Komponenten wie Patschuli, Vanille oder Ambra dominieren, dreht sich mir die Nase um – und der Magen gleich mit.

Mittwochmorgen, 8:30 Uhr, Tatort U-Bahn: Müde aber entspannt warte ich am Bahnsteig auf den einfahrenden Zug. Neben mir positioniert sich eine modisch angezogene, Haar-toupierte, Make-up-geschwängerte, vermutlich Fake-Handtasche-tragende, dunkelhaarige Endzwanzigerin. Automatisch blähen sich meine Nüstern. Und wie schon vermutet sauge ich einen schweren, pudrig-süßen Duft ein, der scheinbar so günstig war, dass er verschwenderisch aufgetragen wurde. Sofort bin ich gereizt und ziehe angewidert einige Meter weiter. Beim Betreten der Bahn achte ich darauf, dass die Duftbombe und ich nicht im selben Abteil eingeschlossen sind. Mein Waggon ist zwar sehr voll, aber dafür reizt dort nichts meine Nase. Zumindest bis zur nächsten Station. Auch dort kann ich die Zugestiegenen unfallfrei riechen. Puh, Glück gehabt für heute Morgen. Die lange Rolltreppe an meiner Station beendet meinen glückseligen Zustand jedoch abrupt. Drei Stufen vor mir ein Mitte Dreißigjähriger mit Anzughose und Waffeljacke, dessen Haar stark gegelt ist – wogegen persé nichts einzuwenden ist, wenn es ihm gefällt. Doch er hat sich so stark eingedieselt mit einem süßen Duft, der mich stark an Joop Homme erinnert, dass sich mir der Magen umdreht. Gott sei Dank ist Herbst und so kann ich meinen Wollschal, der von Oktober bis März zu meiner täglichen Garderobe zählt, über die Nase ziehen. Aber der Duft schafft es hindurch. Am liebsten würde ich den Mann zurechtweisen und ihm sagen, dass er ein ganz schlimmes Parfum trägt. Doch wer bin ich, dass ich über die Vorlieben anderer Leute urteile? Mit verkniffenen Augen und durch den Mund atmend kann ich die Frischluft am Ausgang kaum erwarten.

Und noch ein weiteres Ereignis, das mich letzte Woche wirklich in die Bredouille brachte: Ich sitze im ICE nach Hannover und habe keine Platzreservierung. Ich steige gern am Dammtor-Bahnhof ein, weil man dort noch freie Plätze ergattern kann, bevor die Station Hauptbahnhof kommt. Der Platz neben mir ist reserviert, wie ich der Anzeige entnehmen kann. Woran denke ich zuerst? Nein, nicht es könnte jemand neben mir sitzen, der schnarcht (ich habe Kopfhörer), es könnte jemand sein, der sich unterhalten möchte (ich habe Kopfhörer) oder es könnte jemand sein, der so laut Musik hört, dass er mich gleich mit beschallt (ich habe Kopfhörer). Nein, ich denke: Hoffentlich riecht die Person, die mehr als eine Stunde neben mir sitzen wird, gut. Eine nette ältere Dame erkennt ihre Platznummer, lächelt mich freundlich an und versprüht einen extremen, das ganze Abteil einnehmenden, süßlichen Duft. Leider kann ich mich nicht beherrschen und blähe meine Nüstern, gefolgt von einer augenbrauen-hochziehenden Mimik, so extrem, dass sie sofort erkennt: Diese Frau ist „not amused“. Prompt habe ich ein schlechtes Gewissen, da die Dame sehr freundlich und offen zu sein scheint. Aber ich kann einfach nicht aus meiner Haut bzw. Nase. Sie ist nicht nur freundlich, sondern auch noch sehr emphatisch. Da heute nur wenige Plätze reserviert sind, setzt sie sich zwei Reihen weiter nach vorn. So kann ich unbemerkt mein Tuch über die Nase ziehen und mich entspannen.

Ich nehme mir vor meine Reaktion das nächste Mal nicht so deutlich zu zeigen, sondern lieber unauffällig Reißaus zu nehmen. Obwohl – kann man das nicht einfach auch direkt sagen? „Entschuldigen Sie meine empfindliche Nase, aber sie haben Ihr Parfum überaus verschwenderisch angewendet“. Mmmh, das würde es aber gar nicht treffen. Ehrlich wäre „Ihr Parfum ist derart extrem, dass mir davon schlecht wird“. Das würde meiner Erziehung allerdings komplett widersprechen.

Daher bleiben mir nur folgende Möglichkeiten:

  • Ich meide diese Düfte, in dem ich mich von ihnen entferne. Und ich nehme IMMER ein Tuch mit, sobald ich das Haus verlasse
  • Ich verklage die Hersteller süßlicher Düfte auf grob fahrlässige Belästigung
  • Ich starte eine nationale öffentliche Debatte zu dem Thema und fordere einen Geruchsministerposten – den ich natürlich selbst besetze

Maike: findest du das zu extrem? Und welche der drei Möglichkeiten würdest du empfehlen?

Maike

Liebe Claudia, ich kann deine Problematik bestens verstehen. Allerdings richtet sich meine Nase eher gegen Männer-, als gegen Frauendüfte. Wenn jemand zum Aftershave aus Opas Spiegelschrank gegriffen hat oder der Hundertste vorbeiläuft, der sich am Morgen die halbe Flasche Bruno Banani über den Kopf geschüttet hat, ist’s bei mir vorbei. Das ist nicht nur unsympathisch, sondern auch belästigend. Das wäre übrigens auch ein Grund für mich bei einem Date auf dem Absatz kehrt zu machen. Ich kann deine Idee einen Geruchsministerposten zu fordern (und selbst zu besetzen) also nur unterstützen. Wenn ich genauer darüber nachdenke, würde es sogar viele Probleme lösen:

  • Du müsstest dich nicht mehr in der Bahn übergeben
  • Es würde weniger geniest werden
  • Geringere Luftverschmutzung
  • Allgemeine Krankheitsminderung (weniger Kopfschmerzen und gereizte Nase)

Also, MEINE STIMME HAST DU! Du kannst ja schon Mal anfangen, alle Parfums die auf dem Markt sind zu testen und einzustufen.

By | 2019-10-20T15:44:49+00:00 06. Oktober 2019|Diese Woche|0 Comments

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