Kampf gegen die Monopolisten – zumindest ein bisschen

Claudia

Vor einigen Wochen hatte mein 6-jähriges Patenkind Geburtstag. Er hat das Glück, zwei Patentanten zu haben (eine gute Frauenquote). Die andere, dieses Ehrenamt innehabende, Bekannte hatte eine tolle Idee für ein gemeinsames Geschenk, welches mir auch sehr gefiel. Da ich wusste, dass sie noch viel weniger Zeit hat als ich (drei Kinder, Vollzeitjob und nebenbei noch eine Fortbildung!), wollte ich ihr die Bestellung gern abnehmen. Die beiden Teile (eine Druckluft-Rakete und ein NASA-Shirt) gab es zu einem angemessenen Preis jedoch nur bei Amazon.

Schrei! Ich kann diesen Verein einfach nicht leiden. Zu viele negative Geschichten über die Ausbeutung von Mitarbeitern und Händlern. Außerdem tragen sie zu unserem Bruttoinlandsprodukt kaum etwas bei, sie nutzen einfach perfekt die vielen Steuer-Schlupflöcher. Nachdem ich vor einigen Jahren in einem Artikel las, dass sie die Preisbindung für Bücher in Deutschland versuchen aufheben zu lassen, hatte ich die Nase endgültig voll und habe meinen Account gelöscht: Nie mehr Amazon. Ich habe es tatsächlich die letzten fünf Jahre durchgezogen.

Woher hat der Konzern seinen Namen frage ich mich gerade, während ich das hier schreibe: Dass Mr. Bezos aus den sumpfigen Gebieten des Amazons kommt, glaube ich eher nicht. Vielleicht vom griechischen „Amazone“? Na gut, ich recherchiere das mal. Ich gebe also „Amazone“ ins Suchfeld meines Browsers ein und statt mir zu erklären, wofür diese Dame zuständig war, werden mir als erste vier Suchergebnisse günstige Produkte von Amazon vorgeschlagen, Dabei habe ich doch das „e“ angefügt. Auch die nächsten Seiten der Suchergebnisse haben fast ausschließlich mit dem Shopping-Portal zu tun. Schon wieder ärgere ich mich.

Ich bemühe dann Wikipedia und erfahre dort „Als Amazonen werden in griechischen Mythen und Sagen einige Völker bezeichnet, bei denen Frauen männergleich in den Kampf zogen.“ Super, das passt doch. Amazon zieht in den Kampf und will den weltweiten Markt überrollen. Tatsächlich jedoch soll das Unternehmen seinen Namen vom wasserreichsten Fluss der Erde, dem Amazonas, haben.

Nun weiter zur „Beschaffungs“realität: Ich musste der viel beschäftigten Patentante also leider mitteilen, dass sie die Bestellung durchführen muss, da ich aufgrund meiner militanten Amazon-Ablehnung dazu leider nicht in der Lage bin. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie das nachvollziehen konnte.

Meist, wenn ich online ein Produkt suche, erscheinen als erstes die Suchergebnisse von Amazon. Klar, sie investieren ja auch ein großes Werbevolumen. Das können sich die kleinen Händler nicht leisten. Innovation und Service haben kein Gewicht bei Google. „Geld regiert die Welt“! Aber solch eine Grundsatzdiskussion ist hier jetzt fehl am Platz. Trotzdem träume ich oft davon, einen Aufruf zu starten „Leute, ihr wollt ohne großen Aufwand etwas ändern? Ihr wollt Vielfalt, Qualität und Service? Ihr wollt euch nichts diktieren lassen, sondern selbst die für euch beste Auswahl treffen“ Ihr wollt, dass die Händler nicht nur ihren Investoren dienen, sondern uns als Kunden, die ihre Produkte kaufen?“ Das Problem ist nur, dass ich kein berühmter Influencer bin und daher keine große Strahlkraft habe. Wenn ich das veröffentlichen wollen würde, gäbe es drei Probleme

  • Ich habe keine Plattform, auf der das Einfluss haben könnte
  • Mich kennt kein Schwein
  • Das Gähnen der Leser kann ich schon jetzt vorausahnen

Ich mache gerade eine Weiterbildung und habe soeben das Modul VWL abgeschlossen. Viele finden das Thema trocken. Ich allerdings fands spannend, denn oft bedenken wir in unserer eigenen kleinen Welt nicht, welche Auswirkungen unser Handeln auf die nationale und internationale Wirtschaft hat. Ich hoffe, ihr gähnt nicht jetzt schon! Es ist ja auch meist sehr theoretisch. Eines der Prinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft ist „Angebot und Nachfrage sollten sich ausgleichen, damit ein Marktgleichgewicht und somit auch ein Gleichgewichtspreis herrscht“. Haha, kann ich da nur sagen. Sollten wir als Konsumenten nicht ein wenig mehr Macht ausüben?

Nun aber zurück zum Geschenk: Die andere Patentante hatte also die Arbeit und ich fühlte mich gut. Aber natürlich dachte ich noch länger darüber nach: Ich lehne Amazon aus ethischen Gründen rigoros ab und bin doch bei WhatsApp, die ja bekanntermaßen zum Facebook-Imperium gehören. Und dass dieser Verein die Datenschutzbestimmungen regelmäßig mit Füßen tritt, ist inzwischen wohl kaum noch ein Geheimnis. Die ersten Jahre nach Einführung der App habe ich mich noch geweigert, sie zu nutzen. Doch viele Freunde haben mich doch tatsächlich genötigt „Stell dich nicht so an, alle sind bei WhatsApp“, „Du bist ja paranoid“, „Wir haben doch nichts zu verbergen“ tönte es aus allen Ecken. Und nun bin ich abhängig von dem Ding. Dabei gibt es genug Alternativen. Warum also kann ich hier nicht so rigoros sein wie bei Amazon?

Ich muss mein Gewissen also fragen: Bin ich nicht total inkonsequent? Maike: was meinst du dazu?

Maike

Ich stehe dir bei – Kampf dem Bezos! Tatsächlich trägst du mit dazu bei, dass ich immer weniger auf Amazon bestelle. ABER auch ich lasse mich hin und wieder von dem Scheiß-Verein hinreißen. Schnelle Lieferung direkt zu mir nachhause: Es ist einfach so verlockend. Vor allem bei Produkten, die schwer zu tragen und/oder im Geschäft deutlich teurer sind. So bestelle ich beispielsweise alle zwei Monate einen großen Sack Hundefutter. Grundsätzlich finde ich aber, dass du völlig recht hast und wenn Amazon abgeschafft werden würde, würde ich’s auch überleben. Nur mein Hund nicht.

Spaß beiseite: Wir müssen weniger bestellen. Da kann man sich an dir, Claudia, nur ein Beispiel nehmen. Wenn ich zum Beispiel höre, dass Leute sich SOCKEN bei Amazon bestellen, kann ich auch nur den Kopf schütteln. Für so einen Bullshit lohnt es sich doch wirklich nicht, die schlechten Arbeitsbedingungen und Umweltverschmutzung zu befeuern. So viel dazu.

Dass du dich letztendlich doch noch in die Sparte der WhatsApp-User hast zwängen lassen, wundert mich wenig. Das ist einfach ein Social-Must-Have, sonst verpasst du was. Ich glaube, dass es vor allem für Leute, die viele Kontakte pflegen und große Freundeskreise haben besonders schwierig ist, sich davon abzuwenden. Verabreden sich deine Leute zum Fußballspiel über eine WhatsApp-Gruppe und du bist nicht drin? Tja, du bist wohl nicht eingeladen. Besprechen deine Klassenkameraden die Lösungen für die Mathearbeit morgen und du hast’s nicht lesen können? Tja, du hast hoffentlich gut gelernt. Da helfen dir Alternativen wie zum Beispiel Telegram oder Spike auch nicht weiter. Es bringt wenig, ans Bewusstsein der Leute zu appellieren, wenn ihnen persönlich noch nichts passiert ist. Beziehungsweise wenn sie keine direkte Auswirkung wahrnehmen können. Oder wenn sie das Problem nicht verstehen, weil Datenschutz und AGB nie gelesen aber trotzdem immer akzeptiert wurden.

Ich kann also durchaus verstehen, dass du dich von Amazon abwenden kannst, von WhatsApp aber nicht. Dabei werden einfach ganz andere Bequemlichkeiten ermöglicht und der massiv soziale Austausch kann stattfinden, an den wir uns so gewöhnt haben.

Ich kann ein neues Experiment riechen: Verzicht auf WhatsApp: Wie lange hältst du durch?

By | 2019-10-27T13:28:30+00:00 20. Oktober 2019|Diese Woche|0 Comments

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